Interview mit Strongman Martin Wildauer

Im Interview mit Martin Wildauer habe ich mit dem Gewinner der Strongman Championsleague 2014 über sein Training und sein Leben als Strongman Sportler gesprochen. Der derzeit stärkste Mann der Welt erzählt wie er zu diesem Sport gekommen bist und was Ihn daran fasziniert. Martin hat sehr ausführliche Antworten gegeben und so ist dieses Interview vollgepackt mit tollen Informationen über Ihn selbst und auch den Strongman Sport. Viel Spaß beim Lesen!

Martin Wildauer Strongest Man Alive 2

Tobi: Hi Martin, freut mich dass du dir Zeit für ein Interview genommen hast und uns ein paar Fragen über Dich und dein Strongman Training beantwortest. Du startest in der Strongman Champions League und hast 2014 den Titel „Stärkster Mann der Welt“ gewonnen. Doch bevor wir darauf zu sprechen kommen erzähle doch erstmal etwas über dich. Wo lebst du, wie bist du zu diesem Sport gekommen und was machst du wenn du nicht gerade trainierst?

Martin Wildauer Wettkampf Strong Man 3 Martin Wildauer: Hallo und vielen Dank für das Interview. Es freut mich natürlich immer sehr, mich mit interessierten Leuten auszutauschen und wenn man sein Wissen und seine Erfahrung weitergeben darf. Mein Name ist Martin Wildauer und ich komme aus dem kleinen Dorf namens Langkampfen in Tirol, Österreich. Hier bin ich geboren und aufgewachsen und habe praktisch meine ganze Kindheit in Langkampfen verbracht. Heute lebe ich immer noch in Langkampfen und fühle mich sehr wohl in meiner Heimatgemeinde, da mich die Leute kennen und meinen Sport und auch meine Erfolge sehr schätzen.

Do bin i her do ker i hin – wie man so schön sagt bei uns!

Nach einer Ausbildung in der HTL in Innsbruck zum Wirtschaftsingenieur mit Matura konnte ich einen schönen Arbeitsplatz in unsere Gemeinde im Bauamt finden. Ich verbringe also, anders als viele vielleicht vermuten, fast den ganzen Tag im Büro. Sportlich war ich schon als kleines Kind. Ich war jeden Tag, bei Wind und Wetter, bei 35°C oder bei -15°C, im Freien und habe mit meinen Nachbarn gespielt. Im Wald haben wir Baumhäuser gebaut und auf der Wiese Fußball und Rugby gespielt. Von 10 bis 14 Jahre habe ich dann mit dem Kickboxen begonnen und war recht erfolgreich in dieser Sportart. Ich konnte die Tiroler Meisterschaft mehrmals gewinnen und auch den Staatsmeistertitel in meiner Klasse konnte ich nach Tirol bringen.

Um meine Technik mit den Fäusten zu verbessern, fing ich neben dem Kickboxtraining mit dem Boxtraining an. Auch hier war ich sehr ehrgeizig und konnte mehrmals Tiroler Boxmeister und Staatsmeister werden. Jedoch fühlte ich mich, als großer schlanker Bursche, nie wirklich wohl und das ständige Halten des Gewichtes um nicht eine Gewichtsklasse höher starten zu müssen, passte mir ebenso nicht in den Plan. Mit 12 Jahren habe ich dann von meinem Vater zum Geburtstag eine Multistation zum Trainieren mit ein paar Kurzhanteln, zwei Langhanteln, einer SZ-Stange und die passenden Gewichte dazu geschenkt bekommen. Inspiriert von Arnold Schwarzenegger und seinen Filmen wollte ich unbedingt meinem Vorbild nacheifern. Mit einem alten Heft wo Übungen und Muskelgruppen zeichnerisch und vereinfacht dargestellt wurden, machte ich mich auf den Weg um mein Aussehen etwas zu verändern.

Martin Wildauer Wettkampf Strong Man 2Lustigerweise kann mich noch genau daran erinnern, dass ich vom Kreuzheben immer Abstand genommen habe aus Angst ich könnte mir den Rücken verletzen. Jedoch wollte ich immer einen großen stabilen Nacken und ich führte Shruggs mit der Langhantel aus. Diese Übung machte ich mit Schwung und Ach und Krach mit bis zu 120 kg im Alter von 12 Jahren ohne das mir bewusst war, dass ich damals schon etliche Wiederholungen und Sätze im Kreuzheben gemacht habe. Als ich mit der HTL anfing konnte ich das regelmäßige abendliche Training im Box- und Kickboxverein nicht mehr wahrnehmen und fing in der spartanischen Kraftkammer des Boxcenters an regelmäßig und gezielt zu trainieren. Jedoch weit weg von Kniebeugen, Kreuzheben oder Bankdrücken.

Mit 15 Jahren konnte ich dann schlussendlich meinen Vater überreden mir eine Mitgliedschaft im Fitnessstudio zu bezahlen und fing an richtig zu trainieren. Zu Beginn immer noch auf Bodybuilding und Arnold Schwarzenegger fokussiert, stellte ich aber schnell fest, dass meine Begabung eher im Kraftsport liegt. Schon nach wenigen Monaten war ich fast der stärkste im Fitnessstudio. Kurz nach meinem Beginn im Studio habe ich bis dato meinen besten Freund Christoph Rieser getroffen und wir haben zusammen mit Kraftdreikampf angefangen.

Anschließend nahm mich mit 16 an meiner ersten Kraftdreikampf Veranstaltung teil. Irgendwann mit 18 Jahren nahm mich eine damalige Freundin, Zangerle Sabine, zu einem Essen mit Wolfgang Kriechbaum (einem der stärksten Österreicher im Strongman). Wolfgang hat mich ins Strongman-Training eingewiesen und ich konnte die Disziplinen im Gym, wo er trainierte, ausprobieren. Anscheinend stellte ich mich nicht so dumm an. Alle motivierten mich zur Teilnahme an der Qualifikation zum stärksten Österreicher. Ohne jegliche Vorbereitung oder die Disziplinen alle einmal trainiert zu haben, konnte ich den Wettkampf gewinnen und bei der 3 Wochen darauffolgenden Meisterschaft zum stärksten Österreicher einen 5. Platz belegen. Seit damals ist Strongman nicht mehr aus meinem Leben wegzudenken.

Wildauer Strongest Man

Neben dem regelmäßigem Training und den Wettkämpfen betreibe ich eigentlich ein ganz normales Leben. Ich arbeite 40 Stunden in der Gemeinde, unternehme viel mit meiner Freundin Cornelia Kaiser, meiner Familie und meinen Freunden und versuche meinen anderen Hobbies nachzukommen. Im Sommer gehe ich gerne Schwimmen, Radfahren und Wandern. Neben dem Strongman ist meine große Leidenschaft das Holzarbeiten. Ich habe eine Dekupiersäge, eine maschinelle Laubsäge, mit der ich sehr viele tolle Sachen baue. Ich mache nicht nur Dekorationen, Schüsseln, Wanddekorationen, praktische Dinge, Schlüsselanhänger, usw. damit, sondern habe auch mit meinem Vater zusammen einen riesengroßen Hamsterkäfig gebaut. Mein kleiner Zwerghamster „Wuzl“ wohl fühlt sich nun auf 3 Etagen richtig wohl und kann sich auf über 2.5 m² austoben.

Tobi: Riesen Dank schon mal für die vielen Infos über dich, wo du herkommst und wie du zu diesem Sport gekommen bist. Man merkt richtig, was du du für eine Leidenschaft dafür empfindest. Strongman, das sagt vielen Leuten nichts, und wenn dann wird es oft nur mit LKW ziehen verbunden. Was macht den Strongman Sport aus und welche Strongman Disziplinen gibt es? Was ist deine Lieblingsdisziplin? Hast du ein Vorbild?

Wildauer Strongest Man 3Martin Wildauer: Strongman setzt sich aus vielen traditionsreichen Übungen zusammen. Der moderne Strongman-Sport hat seine Wurzeln in Gladiatorenkämpfen, Highlandgames, Wikingerspielen, und anderen Tradition auf der ganzen Welt die etwas mit Kraft zu tun haben. Es wird auf vielseitigste Weise herausgefunden wer der stärkste Mann ist. Dazu gehört nicht nur Kraft, sondern auch Geschick, Ausdauer, Koordination, Durchhaltevermögen, Balance und Technik. Dadurch und weil wir spektakuläre und abwechslungsreiche Disziplinen haben, ist der Sport so attraktiv für Sportbegeisterte.

Auch unterscheidet sich jede Disziplin in den verschiedenen Austragungs-Ländern – zum Beispiel ziehen wir einmal einen LKW, einmal einen Bus, einen riesen Radlader, einen Bagger, ein Flugzeug oder eine Yacht. Es ist alles dieselbe Disziplin nur unterschiedlich ausgeführt und dadurch ist der Unterhaltungswert für die Zuschauer sehr hoch und ebenso macht es uns als Athleten immer wieder aufs Neue Spaß einen Wettkampf zu bestreiten.

Wildauer Strongest Man 2Im Strongman gibt es bestimmt 30 verschieden Disziplinen wo jede eine Besonderheit hat und eine spezielle Herausforderung darstellt. Eine der bekanntesten ist mit Sicherheit das berühmte LKW-Ziehen. Ein LKW muss eine gewisse Distanz  mit Armen und Beinen gezogen werden – die schnellste Zeit gewinnt. Diese Disziplin ist sehr traditionell und ist an der früher weit verbreiteten Tätigkeit des Treidelns (Schiffe-Ziehen) angelehnt. Die LKWs können von 10 bis 40 oder sogar 50 Tonnen variieren oder wir ziehen überhaupt ein Flugzeug mit 50 Tonnen oder ein Lokomotive mit knapp 100 Tonnen.

Eine weitere sehr beliebte Disziplin sind die Steinkugeln und die haben es in sich. Durch die Form und das Gewicht bis zu 220 kg ist es schwer diese zu fassen und auf die definierten Podeste, die bis zu 180 cm hoch sein können, zu heben. Betonkoffer tragen mit bis zu 180 kg pro Seite oder das bekannte Yoke, wo ein Stahlrahmen, der links und rechts mit Gewichten beschwert ist, eine gewisse Strecke getragen werden muss, sind ebenfalls bekannte Disziplinen und praktisch bei jedem Wettkampf zu sehen.

Strongman Martin WildauerIch persönlich finde alle Disziplinen sehr interessant und mag eigentlich alle durchwegs gerne. Natürlich habe aber auch ich meine Favoriten und dazu zählen Kreuzheben oder deren Wettkampfabwandlungen wie Autokreuzheben. Ebenso mag ich Griffkraftevents besonders gerne wie Koffer oder Frame Carry, da ich hier besonders gut bin. Am traditionellsten und coolsten finde ich aber die Kugeln. Die Kugeln, auch Atlas Stones genannt, ist mitunter eine der bekanntesten Disziplinen und Leute assoziieren damit sofort Strongman und starke Menschen.

Vorbilder nimmt man sich immer sehr gerne um Ziele zu erreichen bzw. seine Motivation aufrecht zu erhalten. Eines meiner größten Vorbilder ist Heinz Ollesch, mein Freund und Trainer. Heinz ist 12-fach stärkster Mann Deutschland, Präsident des deutschen Strongman-Verbandes (den er komplett alleine von Anfang aufgebaut hat) und auch ein besonders sympathischer und hilfsbereiter Mensch. Es ist wirklich etwas Besonderes mit Heinz zu arbeiten bzw. trainiert zu werden. Auch war es Heinz Ollesch, der mich schlussendlich bei einem Steinheben vor etlichen Jahren entdeckt hat. Er schrieb mich an und wollte mir von Anfang an helfen. Heinz hat mich zum Strongmansport auf diesem NiveauStrongman Wettkampf Martin Wildauer bewegt und durch Tipps und seiner reichhaltigen Erfahrung ständig unterstützt und mich schlussendlich von einem strongmanbegeisterten Jugendlichen zum World Champion gemacht. Auch war Heinz und seine Lebensgefährtin Martina Herget, zusammen mit meiner Freundin Cornelia Kaiser und meinen Freunden von Strongman Rage, Matthias Martin und Aryn Lockhart, mit im Finale in Malaysia und haben mich unterstützt. Heinz habe ich sehr viel zu verdanken und ich würde heute mit Sicherheit nicht hier stehen, hätte mich Heinz damals nicht unter seine Fittiche genommen.

Ansonsten ist Zydrunas Savickas ein sehr großes Vorbild. Ich denke es gibt keinen Menschen der mehr Erfolge, Weltrekorde oder Titel im Strongman geholt hat und der unter Insidern als der stärkste Mensch überhaupt in der Geschichte gehandhabt wird. Arnold Schwarzenegger dient natürlich immer als Vorbild aufgrund seines Ehrgeizes und seiner spektakulären Lebensgeschichte. Durch Arnold bin ich in jungen Jahren zum Eisen gekommen.

Grundsätzlich finde ich Menschen sehr vorbildhaft und inspirierend, die durch harte Arbeit, Leidenschaft, Ehrgeiz und Kontinuität aus dem Nichts etwas geschaffen haben.

Tobi: Heinz Olesch ist denke ich den meisten Kraftsport-Interiessierten ein Begriff. Danke auch für den Überblick zu den Strongman-Disziplinen. Auf deiner Webseite gibst du sehr ausführlich Infos zu deinem Training. Dennoch wäre es schön wenn du auf die wichtigsten Dinge nochmal kurz eingehst. Wie sieht eine typische Trainingswoche bei dir aus? Welche Übungen machst du im Kraftraum und machst du auch Ausdauertraining? Wer erstellt dir deinen Trainingsplan?

Martin Wildauer Wettkampf Strong ManMartin Wildauer: Eine typische Trainingswoche gibt es bei mir eigentlich nicht, da ich alles sehr flexibel gestalte. Ich habe keinen Standardplan der mir vorgibt, dass ich montags, mittwochs und freitags ein gewisses Gewicht in gewissen Übungen mit genau 5 Wiederholungen trainieren muss. Diese Art von Training funktioniert für mich nicht, da ich mich zu sehr eingeengt fühle. Mein Alltag verlangt Flexibilität und wenn mein Trainingsplan das nicht berücksichtigen kann, dann kann ich mit diesem keine Erfolge haben.

Daher findet man in meinem Trainingsplan keine fixierten Wochentage sondern lediglich Tag 1, 2 und 3. Grundsätzlich versuche ich 3-mal wöchentlich trainieren zu gehen und jeden Muskel einmal pro Woche direkt zu belasten. Die einzelnen Tage, ausgenommen der Disziplinentag, teilen sich in 1 Hauptübung, 1 bis 2 Assistenzübungen und 2 bis 4 Nebenübungen auf. Die Hauptübung ist die Übung mit der höchsten Priorität. Sie wird schwer ausgeführt und Ziel ist es kontinuierlich Gewicht und/oder Wiederholungen zu steigern. Zum Beispiel Baumstamm-Stemmen oder Kreuzheben.

Martin Wildauer KreuzhebenAssistenzübungen sind Übungen die der Hauptübung ähnlich sind und den Zweck haben die Leistung in dieser zu verbessern. Die Assistenzübungen werden, wie die Hauptübung, schwer ausgeführt und Gewicht und/oder Wiederholungen werden gesteigert. Zum Beispiel Schulterdrücken ohne Schwung mit Bändern für den Lockout um im Baumstamm-Stemmen stärker zu werden oder Rumänisches Kreuzheben um den Beinbizeps, den Hintern und den unteren Rücken für das Kreuzheben zu stärken. Nebenübungen sind diverse Übungen um den gesamten Körper in ausreichendem Maße gleichmäßig zu entwickeln.

Die Nebenübungen sind nicht zu vernachlässigen und ebenso wichtig für die Gesamtentwicklung eines Athleten wie die Haupt- oder die Assistenzübungen, jedoch werden diese nicht schwer ausgeführt. Nebenübungen sind zum Beispiel Bizeps-Curls, Seitheben, Butterfly, Langhantel-Rudern, etc. Für jeden dieser 3 Bereiche und den jeweiligen Trainingstagen gibt es einen Pool von Übungen aus denen ich nach anstehenden Wettkämpfen und Schwächen auswähle. So einfach ist mein Grundgerüst!

Im Fitnessstudio trainiere ich hauptsächlich die klassischen Grundübungen wie Kreuzheben, Kniebeugen, Frontkniebeugen, Schulterdrücken mit Langhantel, Langhantel Rudern vorgebeugt, usw. und diese haben die Priorität. Die Disziplinen an sich für den Wettkampf trainier ich bei Heinz Ollesch in Rosenheim. Hier kann ich die Steinkugeln, das Yoke, die Betonkoffer und den Baumstamm trainieren. Ebenso simuliere ich mit meinem eigenen Auto und angezogener Handbremse und teilweise bergauf das LKW-Ziehen.

Martin Wildauer Strongman 3Ausdauertraining habe ich in meinem Trainingsplan nicht explizit angeführt und trainiere ich auch nicht separat. Mein Ausdauertraining ist im Disziplinentraining integriert. Als Beispiel am Yoke erklärt – ich wärme mich am Gerät selber auf und starte mit 60 kg beim Yoke. Ich gehe 15 Meter, stelle ab und die 15 Meter wieder zurück. Anschließend lege ich 40 kg auf und laufe wieder 30 Meter. Meine Pausen halte ich beim Aufwärmen mit maximal 1 bis 2 Minuten sehr kurz und bis zu meinem eigentlichen Arbeitsgewicht von rund 400 kg oder mehr ist es ein langer Weg und ein gutes Ausdauertraining im Intervallstil.

Meine Trainingspläne habe ich mir immer selber erstellt und werde das auch in Zukunft so machen. Meine Anforderungen sind eben aufgrund meines flexiblen Alltags, den ich mir unbedingt beibehalten will, sehr hoch und dadurch für einen Außenstehenden und jedem anderen Menschen schwer zu realisieren. Ich habe schon alle möglichen System durchprobiert, aber schlussendlich habe ich einfach gesagt ein klassisches Grundgerüst aus dem Powerlifting immer wieder aufs Neue verfeinert und individuell an mich angepasst. Neue Elemente mit in den Plan genommen oder wieder verworfen, wenn sie mir nicht zugesagt haben oder keinen Erfolg gebracht haben. Ich denke jeder ernsthafte Athlet sollte sich mit der Trainingsplanthematik auseinander setzen und früher oder später selber seinen Plan schreiben und ständig weiterentwickeln und ausarbeiten. Es kann kein noch so guter Trainier in einen hineinsehen und wissen was jemand braucht.

Tobi: Wirklich Interessant zu hören. Welche Programme kannst du Leuten empfehlen die gerne in den 3 Hauptlifts stärker werden wollen aber keine Strongman Ambitionen haben? Was hältst du von Wendler 5/3/1 oder klassischen Krafttrainingsprogrammen wie 5×5?

Martin Wildauer Strong ManMartin Wildauer: Wer in den 3 Hauptlifts stärker werden will, sollte die 3 Hauptlifts trainieren! Es gibt mehrere Varianten und viele Pläne, aber heruntergebrochen kommen genau 2 grobe Systeme heraus, die beide Berechtigung haben zu existieren. Einmal hohe Intensität und wenig Volumen und genau das Gegenstück dazu hohes Volumen und niedere Intensität. Ich bin ein Verfechter von ersterem, also hohe Intensität und wenig Volumen. Ich trainiere jede Muskelgruppe bzw. Hauptübung nur einmal wöchentlich und konnte mit hohem Volumen und mehrmaligem Training einer Muskelgruppe oder Hauptübung pro Woche noch nie wirklich Erfolge feiern. Man sollte aber auch den Unterschied von meinem zu einem konventionellen Plan sehen – jeder meiner Trainingstage ist im Endeffekt ein Ganzkörpertag und nicht wie bei andere Athleten Isolationstage wo lediglich bestimmte Muskelgruppen angesprochen und gereizt werden.

Ob 5×5 oder Wendlers 5/3/1 oder sonst ein anderes Programm. Es gibt zahlreiche Athleten die damit Erfolge verbucht haben und alleine aus diesem Grund sind es bestimmt sehr gute System. Vordefinierte Prozente und Tabellen für Leute die ihren eigenen Körper noch nicht so gut kennen und nicht wissen welche Steigerungen und Gewichte in welcher Zeit optimal für sie sind. Auf das Grundgerüst heruntergebrochen funktioniert mein Trainingsplan genau gleich. Martin Wildauer AutoziehenIm Gegensatz zu Wendler zum Beispiel mache ich lieber Perioden mit einer bestimmten Anzahl an Wiederholungen. Ich mache da bewusst aus dem Grund, weil ich jedes Jahr nach einer Saison lange komplett Trainingspause mache um mich körperlich und mental zu erholen. Anschließend starte ich wieder mit leichten Gewichten und arbeite mich von Woche zu Woche zu einer neuen persönlichen Bestleitung hoch. Würde ich hier ständig von 5er auf 3er und 1er springen von Woche zu Woche, würde mein Arbeitsgewicht zu schnell steigen und meine Sehnen und Bändern würden unnötig belastet werden. Ich würde ihnen dadurch die Zeit zum Anpassen nehmen und Verletzungen riskieren.

Wichtig bei den Trainingsplänen ist meiner Meinung nach nur, dass man Spaß daran hat und den über Monate oder Jahre durchziehen kann und das auch tut. Ein Trainingsplan der mir keinen Spaß macht, bringt auch keine Erfolge und den Trainingsplan alle 3 Wochen zu wechseln bringt es genauso wenig.

Tobi: Ja wenn man sich immer zum Training quälen muss hat es von vornerein keinen Sinn, da gebe ich dir voll recht. Es muss Spaß machen. Wie sind deine Kraftwerte in den 3 Powerlifting Disziplinen Kreuzehen, Kniebeugen und Bankdrücken? Auf deiner Wikipedia Seite steht du konntest mit 15 Jahren, nach 2 Monaten Training, bereits 200kg heben, das ist wirklich unglaublich.

Martin Wildauer Strong Man mit 15 Jahren 2

Martin Wildauer mit 15 Jahren

Martin Wildauer: Ja das ist richtig. Bei meinem aller ersten Kreuzebetraining mit 15 Jahren und knapp 75kg konnte ich bereits mit 140kg lockere Wiederholungen machen und nach knapp 2 Monaten Training war ich bereits in der Lage 200 kg zu heben. Kniebeuge bin ich eigentlich nicht wirklich gut. Bei den Kniebeugen komme ich RAW, also ohne Equipment wie im Powerlifting, auf 300 kg. Vielleicht geringfügig mehr, wenn ich speziell darauf trainieren würde, aber dann wäre es trotzdem nicht großartig im Vergleich zu anderen Strongman. Bandkrücken konnte ich 220 kg RAW drücken, bis ich mir im Jahr 2010 den Brustmuskel bei 200 kg und der 2. Wiederholung komplett abgerissen habe. Ich wurde operiert und es ist wieder 100 %, aber im Strongman brauche ich kein Bankdrücken und gehe somit seit dieser Verletzung auch keine unnötiges Risiko mehr ein. Ich habe seitdem kein Bankdrücken mehr trainiert. Kreuzheben ist meine Paradedisziplin und dafür bin ich weltweit bekannt. Ich habe 2014 bei der World Deadlift Championships in Leeds, UK, 435 kg gehoben. Das war für mich persönlich eine sehr tolle Hausnummer. An diesem Tag habe ich mir bei 446 kg dann den Beinbizeps eingerissen. So wie die 435 kg ausgesehen und sich angefühlt haben, bin ich der Meinung, dass die 446 an diesem Tag vielleicht funktioniert hätten bzw. es definitiv in Zukunft möglich sein wird, dass ich es schaffe. Martin Wildauer ESM 2014 Martin Wildauer ESM 2014 - 435 kg - hohe Auflösung (11)

Tobi: Wirklich beeindruckende Zahlen, vorallem beim Kreuzheben. Respekt dafür! Die 446 wirst du sicher noch knacken in nächster Zeit! Wie motivierst du dich weiter zu machen wenn es mal nicht so gut läuft oder du dich verletzt hast?

Martin Wildauer Bilder 2Martin Wildauer: Ich mache Pause. Dadurch kann ich mich anderen Sachen widmen und die Lust und die Leidenschaft kommt von alleine wieder zurück. Ich nehme den Sport nicht so ernst wie manch anderer und genau aus diesem Grund habe ich meiner Meinung nach Erfolg. Jedes Jahr mache ich mindestens 6 bis 12 Wochen komplett Pause am Stück – das heißt ich trainiere absolut nichts und bleibe dem Studio fern. Das ist gut für Körper und meiner Motivation.

Ansonsten denke ich zurück an meine Anfangstage und frage mich was damals der Grund war warum ich angefangen habe zu trainieren und Wettkämpfe zu machen – aus Spaß und Leidenschaft. Das im Kopf, einer kleinen Pause und einem neuen realistischem Ziel vor Augen kann eigentlich nichts mehr schief gehen.

Tobi: Im Bodybuilding ist ein niederer Körperfettanteil sehr wichtig und die meisten sind besessen davon den Köperfettanteil auf Off-Season nicht über 12% steigen zu lassen. Strongman haben für gewöhnlich einen etwas höheren Köperfettanteil. Wie hoch ist der KFA eines Strongman und was hat das für Vorteile? Spielt Ästhetik für dich dennoch auch eine Rolle?

Martin Wildauer Wettkampf Strong Man 4Martin Wildauer: Wie hoch der Körperfettanteil eine Strongmans ist, kann man schwer sagen, da es so viele unterschiedliche Körpertypen gibt und alles von durchtrainiert bis mopelig dabei ist. Mehr Körperfett und Wasser im Körper hat in der Tat eine Funktion bei uns im Strongman – Verletzungsprävention. Würde man mit einem niedrigen Körperfettanteil wie Bodybuilder es haben auf einem Wettkampf starten bzw. schwer trainieren, würde man sofort Überlastungserscheinungen und Gelenks-, Sehnen- und Bänderentzündungen bekommen.

 

Tobi: Kannst du dir vorstellen auch selbst, wenn du deine aktive Strongman-Karriere irgendwann aufgibst, in Richtung Bodybuilding zu gehen?

Martin Wildauer: Im Moment kann ich es mir absolut nicht vorstellen. Ich kann mir es zum einen nicht vorstellen, weil ich dadurch meinen flexiblen Alltag, Trainings- und Ernährungsplan aufgeben müsste. Nach meiner aktiven Karriere werde ich mich voll und ganz um den Nachwuchs im Strongman und dem Strongmansport an sich in Österreich kümmern. Auch werde ich danach meinen andere Hobbies wie meiner Dekupiersäge und Holzarbeiten widmen und natürlich weiterhin für mich selbst und der Fitness wegen trainieren.

Tobi: Hört sich gut an, du wirst dem Strongman Sport also noch lange Erhalten bleiben! Kommen wir jetzt mal zu einem anderen Thema, nämlich der Ernährung. Wieviel Kalorien nimmst du pro Tag zu dir? Wie ernährst du dich um deine Kraftleistungen konstant hoch zu halten?

Martin Wildauer: Schwierig zu sagen, da ich nichts zähle oder darauf achte. Ich schätze um die 4000 bis 5000 Kcal in der Wettkampfzeit und während der Saison. Die restliche Zeit vielleicht 3000 Kcal und 3 Mahlzeiten über den Tag verteilt. Genauso wie mein Trainingsplan gestaltet sich auch mein Ernährungsplan. Ich habe weder fixe Zeiten wo ich meine Mahlzeiten zu mir nehme noch eine fixe Anzahl an Mahlzeiten pro Tag. An manchen Tagen esse ich 3 Mal am Tag und an anderen 6 bis 8 Mal. Manchmal esse ich 1 Woche lang jeden Tag Fleisch, weil ich Lust drauf habe und ein anderes Mal komme ich wochenlang ohne aus. Ich könnte nie jeden Tag das Gleiche zu mir nehmen oder gar mehrmals pro Tag wie es viele Bodybuilder oder andere Sportler machen. Bei mir ist die Küche abwechslungsreich und auch mit gewöhnlicher Hausmannskost kombiniert. Natürlich mit Bedacht auf gesunder Ernährung.

Tobi: Da hätte ich jetzt deutlich mehr geschätzt als 3000kcal. Was hältst du denn von Nahrungsergänzungsmitteln wie Eiweißpulver und Creatin und welche nutzt du selbst?

Martin Wildauer: Grundsätzlich finde ich, dass alles überbewertet ist. Eine normale Ernährung reicht für die meisten Sportler aus. Hier und da mal ein paar Vitamine und Mineralien zusätzlich wenn man viel schwitzt im Sommer oder mal einen Proteinshake, weil es schmeckt oder schnell gehen muss, ist in Ordnung, aber seine komplette Ernährung darauf aufzubauen ist schlichtweg falsch und Blödsinn.

Ich persönlich versuche meinen täglichen Bedarf hauptsächlich mit normaler Ernährung abzudecken, aber bei einen erhöhten Energiebedarf macht es natürlich Sinn ab und an diesen mit unkomplizierten Shakes aus Eiweiß und Kohlenhydraten (Weight Gainer) zu decken. Sehr gerne nehme ich schnelle Kohlenhydrate mit Vitaminen und Mineralien während dem schweren Training, damit permanent meine Speicher voll sind und ich ständig Energie und Kraft habe.

Vitamine und Mineralen kommen speziell in der Wettkampfvorbereitung zum Einsatz, da ich mit einem Körpergewicht von 140 bis 150 kg und dem schweren Training einen erhöhten Bedarf habe und ansonsten Mangelerscheinungen bekomme die sich z.B. in Krämpfe äußern. Ab und an genehmige ich mir ebenfalls einen Eiweißshake oder einen Weight Gainer Shake, falls es einmal schnell gehen muss, wenn man zu wenig Zeit zum Kochen hat. Da ich ansonsten einfach zu wenige Kalorien zu mir nehme um mein Gewicht zu halten zu können und Leistung zu bringen.

Tobi: Klasse, danke für die Infos. Vielleicht lesen ein paar Jugendliche dieses Interview und haben Interesse am Thema Strongman bekommen. Wie startet man am besten in diesem Sport? Was rätst du jungen Leuten die gerne Strongman werden wollen?

Martin Wildauer:  Das würde mich natürlich freuen, wenn sich ein paar Jugendliche in diese Richtung bewegen und Interesse haben. Grundsätzlich kann mich immer privat anschreiben auf Facebook, Twitter, oder andere sozialen Plattformen. Eine Email auf strongman.wildauer@gmail.com funktioniert ebenfalls.
In Kürze wird es eine Federation in Österreich geben, der alles rund um Strongman beinhaltet. Diese wird auf www.strongman-austria.at zu finden zu sein und beinhaltet vom kompletten Reglement, über die Disziplin, Ranking, Ergebnisse, Termine, Rekorde, Athletenprofile, Geschichte, usw. auch Informationen für Anfänger und Stützpunkte wo sich Neulinge direkt hinwenden können und in das Strongman-Training von erfahrenen Strongman eingewiesen werden.

Im Grunde ist es einfach, wenn man Strongman werden will. Man trainiert eine gewisse Zeit im Studio, damit man die Grundelemente und -bewegungen erlernt hat und sich sicher in jeder Übung im Fitnessstudio fühlt. Anschließend kann man schon mit sehr leichtem Techniktraining am Strongmanequipment beginnen. Das Hauptaugenmerk solle bei Anfängern immer auf der Technik liegen, damit diese von Anfang an richtig gelernt wird. Gewichte sind zu Beginn nebensächlich.

Wichtig ist Geduld und Beständigkeit, wenn jemand im Kraftsport Fuß fassen will. Es braucht seine Zeit eine entsprechende funktionale Muskulatur zu entwickeln und die Technik zu erlernen. Einem Trainingsplan folgen und laufend individuell anpassen, andere Elemente hinzufügen oder entfernen und offen für Neues sein. Auf seinen Körper hören und sein Gefühl und Pause machen, wenn es nötig ist und der Körper danach verlangt. Dann kommt man an sein Ziel.

Tobi: Viel Dank für all die Informationen und die ausführlichen Antworten. Ich wünsche dir weiterhin viel Erfolg bei deiner weiteren Karriere. Du hast hier wirklich einen Rundumblick in Sachen Strongman Sport gegeben der sicher vielen Leuten weiterhelfen wird.

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Twitter: @wildauermartin

Instagram: strongmanwildauer

Bildrechte: Martin Wildauer, Aryn Lockhart | Strongman Rage Photography

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Tobias Bantle

6 Comments

  1. Thorsten 2015-02-26
  2. Alisa 2015-03-08
  3. Ralf 2015-03-22
  4. Matze Prasser 2015-03-22
  5. Stefan D. 2015-03-22
  6. Robert 2015-05-15